Über Jahre wurde der Garten eher sporadisch für Seminare und Feiern genutzt – bis Anfang 2014 eine Gruppe aus Caritasverband, Dekanat und dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) in Worms die Ärmel hochkrempelte. Ehren- und Hauptamtliche entrümpelten gemeinsam das geräumige Haus, richteten es neu ein und legten Beete mit Tomaten, Zucchini, Kürbis und Karotten an. Die Vision: Hier können Menschen zusammen den Garten gestalten, pflegen und nutzen und dabei üben, sorgsam mit den Pflanzen und der Schöpfung umzugehen und Nahrungsmittel wertzuschätzen.
So geschah es auch an einem Sonntagmorgen im vergangenen Herbst, wie sich die Gärtner erinnern. Für die vielen Äpfel im Caritas-Gemeinschaftsgarten war es damals höchste Zeit zur Verarbeitung. Sebastian Besier vom BDKJ und Thomas Jäger vom Caritasverband kamen mit einer handbetriebenen Saftpresse. Um 10:30 Uhr waren die Tische zum Sortieren und Schnippeln vorbereitet, Eimer, Kanister und Flaschen standen bereit, der Holzofen im Gartenhaus bollerte in Erwartung des ersten Apfelkuchenbleches, der Kaffee duftete... und es regnete. Sebastian Besier, Thomas Jäger, Martha Jeschonnek von youngcaritas Worms und auch der ehrenamtlich tätige Peter Naaijkens waren sichtlich bemüht, Zuversicht auszustrahlen. Aber hin und wieder ging dennoch ein verstohlener banger Blick gen Himmel und Uhr: Würden auch genügend ehrenamtliche Helfer kommen, um die Ernte zu bewältigen?
Kurz vor 11 Uhr waren alle Bedenken vergessen. Schon jetzt waren gut 15 Erwachsene und einige Kinder da, und in den folgenden Stunden folgten weitere Helfer der Einladung zum „Ernten, Keltern und Genießen“. Sebastian Besier gab eine kurze Einweisung in die verschiedenen Arbeitsstationen und kurz darauf brummte der Garten vor Geschäftigkeit.
Zwischen zwei und 70 Jahre alt waren die Menschen, die hier zusammenkamen. Sie waren ehrenamtlich im Garten, bei der Wormser Tafel und anderen Bereichen tätig, nahmen an Gruppen des Caritasverbandes teil, besuchten die Tagesstätte oder wohnten im Wohnheim für psychisch erkrankte Menschen. Einige kannten sich bereits, viele sahen sich aber auch zum ersten Mal.
Beim Sammeln, Schnippeln und Belegen von Hefeteig redete man so über dies und das; auch darüber, wie es einen heute hierher verschlagen hat. Frau L.*, Ende 50, nahm zum Beispiel regelmäßig an einer Gruppe für Menschen teil, die unter Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen leiden – ein Angebot der psychosozialen Beratungsstelle des Wormser Caritasverbandes. Die Leiterin der Gruppe hatte sie auf die heutige Aktion hingewiesen. Gerne teilte sie ihre jahrzehntelangen Gartenerfahrungen mit den anderen an der „Schnippelstation“. Herr K.*, Mitte 60, hatte eine lange leidvolle Suchtgeschichte, die er mit Hilfe der Beratungsstelle hinter sich lassen konnte. Auch ihm hatte eine Caritas-Mitarbeiterin von der heutigen Aktion erzählt. Er war eher scheu und zurückhaltend, aber beim gemeinsamen Äpfelsammeln mit einem Ehrenamtlichen aus der Flüchtlingsarbeit und zwei kleinen Kindern erinnerte er sich an die Freude, die es ihm früher machte, im eigenen Garten zu werkeln.
Inzwischen wurden an der Saftpresse erste Rufe nach Unterstützung laut. Je mehr sie sich mit ausgepressten Apfelresten füllte, desto mehr Muskelkraft brauchte es, um sie zu bedienen. „Morgen kann ich mir die Muckibude sparen“, lachte eine Caritasmitarbeiterin und freute sich, dass ein gut trainierter Familienvater ihren Job übernahm. Als der erste Apfelkuchen duftend aus dem Ofen kam, fand er reißenden Absatz. Sieben weitere Bleche folgten bis etwa 14 Uhr – und eine gute halbe Stunde später waren rund 80 Liter Apfelsaft gepresst und abgefüllt.
Überhaupt war viel Leben im Caritas-Gemeinschaftsgarten im vergangenen Herbst: Am Freitag vor der Apfelernte fand, wie schon eine Woche zuvor, ein Mitbringpicknick im Rahmen des Weltkochens statt, zu dem auch ausdrücklich Flüchtlinge eingeladen waren. Jeder der etwa 40 Teilnehmenden brachte etwas für ein internationales Buffet mit. Gemeinsam wurden Zucchini und Tomaten aus dem Garten zubereitet, und man ließ den Abend am Lagerfeuer ausklingen. An zwei Oktoberwochenenden lernten Kinder auf Initiative des Dekanatsjugendreferates gemeinsam mit ihren Vätern Schnitzen und bereiteten ihr Mittagessen über offenem Feuer zu. Anlässlich eines Dekanatsjugendgottesdienstes konnte man sich bei Stockbrot am Lagerfeuer austauschen und dabei Dekan Tobias Schäfer kennenlernen.
Hier im Gemeinschaftsgarten können sich Menschen verschiedener Generationen und Kulturen beim gemeinsamen Tun – oder Nichtstun - begegnen. Denn ein Garten kann Menschen zusammenbringen, die sich sonst vielleicht nicht treffen würden. „So wohl habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt“, sagte eine Besucherin der Caritas-Tagesstätte für psychisch kranke Menschen. „Hier im Garten gibt es keine Unterschiede.“
Weitere Informationen und Bilder unter www.gemeinschaftsgarten-worms.de
*Anfangsbuchstabe geändert
Patricia Mangelsdorff