Der ganze Raum lädt zum Entdecken ein: Durchsichtige Boxen, gefüllt mit bebilderten und beschrifteten Karten, Körnerkissen, bunten Holz- und Kunststoffformen. Auf dem Tisch liebevoll arrangierte Dekoration, in Regalen Nähzubehör, Haushaltsgegenstände, ein kleiner Webstuhl, Puzzle, Brettspiele, Pflanzgefäße, Bücher, CDs und vieles mehr.
"Tasten Sie mal, was da drin ist!” Ruth Daub, ehrenamtliche Leiterin der Betreuungsgruppe, drückt mir ein geheimnisvolles Stoffsäckchen in die Hand. Schrauben? Nein, für Metall zu leicht. Spiralnudeln sind es, und jedes der gut 20 Säckchen enthält etwas anderes. Wie vieles hier dienen sie auf spielerische Weise der Erinnerung, aktiven Nutzung aller Sinne und der Erhaltung oder Wiederherstellung von Fähigkeiten. All das ist elementar für dementielle Menschen, denn oft sind sie tief in ihrer eigenen Welt versunken und finden nur schwer Kontakt.
Fragekarten, Ratesäckchen oder ein besonders großes Memory-Spiel - Frau Daub hat vieles hier in unzähligen Stunden selber hergestellt und mit der Hilfe ihres Mannes den gesamten Raum eingerichtet. Spiele und Puzzle speziell für dementiell erkrankte Menschen hat sie mit ihren ehrenamtlichen Kolleginnen sorgfältig ausgesucht.
"Jeder Mensch ist zu erreichen.”
Über ihre Gäste spricht sie voller Zuneigung und Respekt. "Jeder Mensch ist zu erreichen und hat Vorlieben und Talente - auch, wenn manche zunächst sehr verschlossen erscheinen. Wir müssen nur den richtigen Weg finden und dafür vieles ausprobieren.” Vertraute Gegenstände und Tätigkeiten, Ansprache, Bewegung, Spaziergänge, Musik oder Gebet - mit all diesen Angeboten bauen die ehrenamtlichen Betreuerinnen respektvoll und geduldig Kontakt zu ihren Gästen auf.
...endlich Zeit für die Menschen haben
Ruhe, Geduld und Wertschätzung - das ist es, was für Ruth Daub und ihre Kolleginnen zählt. "Nach 20 Jahren in der Altenpflege wollte ich endlich Zeit für die Menschen haben.” Auch für Agnes Weires-Strauch, Leiterin des Caritasverbandes Worms-Alzey und Initiatorin der Gruppe, sind das wesentliche Qualitätsmerkmale. In der Regel sind deshalb auch drei Betreuerinnen für die derzeit fünf Gäste da. "In der Qualifikation lernen die Ehrenamtlichen, wie sie die Menschen in ihrer Eigenheit lassen und ihnen gleichzeitig Teilhabe ermöglichen können", so Frau Weires-Strauch. "Experten vermitteln medizinisches und psychologisches Wissen und erklären, was demente Menschen brauchen, um zu vertrauen und zu entspannen.” Frau Daub ergänzt: "Ich würde nie sagen: 'Machen Sie das.' Unsere Gäste entscheiden immer selbst.”
"Ihre Freude und ihr Lachen beschenken mich sehr.”
Ist das alles nicht sehr anstrengend für die ehrenamtlichen Betreuerinnen? Ruth Daub: "Klar, es gibt viele Herausforderungen. Gleichzeitig empfinde ich die Begegnung mit den Menschen als große Bereicherung. Ihre Freude und ihr Lachen beschenken mich sehr.”
links Agnes Weires-Strauch, rechts Ruth Daub
Weires-Strauch: "Demenz geht uns alle an und
stellt unsere Gesellschaft vor Herausforderungen,
die wir nur mit dem Engagement Ehrenamtlicher
bewältigen können - ob in Gruppen wie dieser, in
Tagespflegeeinrichtungen, Seniorenheimen oder
Wohngemeinschaften: qualifizierte Helferinnen und
Helfer werden überall gebraucht.”
Fortbildung für Ehrenamtliche
Das Caritaszentrum Alzey bietet ab dem 14. Juli 2017 eine weitere Fortbildung an, in der es u.a. darum geht, das Verhalten und die Lebenswelt dementiell erkrankter Menschen zu verstehen, kreative Ideen für ihre Betreuung kennenzulernen, ein Praktikum vorzubereiten und Wichtiges zu Diagnostik und Therapie von Demenz sowie zu rechtlichen Aspekten des Ehrenamtes zu erfahren.
Weitere Informationen und Flyer zur Betreuungsgruppe und zur nächsten Qualifizierungsreihe erhalten Sie beim Caritaszentrum Alzey, Obermarkt 25, 55232 Alzey, Tel: 06731-94 15 97, E-Mail: info@caritas-alzey.de
Text: Patricia Mangelsdorff, freie Autorin und Journalistin
Bilder: Caritasverband Worms-Alzey, Patricia Mangelsdorff