Die Verabschiedung eines Gesetzes im Vereinigten Königreich, das Ruanda zum sicheren Drittstaat erklärt, kommentieren Verantwortliche des Deutschen Caritasverbandes wie folgt:
Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes: "Die Verabschiedung eines Gesetzes im englischen Parlament, das Ruanda zum sicheren Drittstaat erklärt, ist der vorläufig traurige Schlusspunkt einer Debatte, die seit Wochen in Großbritannien, aber auch in Deutschland unter völlig falschen Prämissen geführt wird. Das "Ruanda-Modell" - die Überführung von Asylsuchenden aller Herkunftsregionen zur Prüfung ihres Antrags in ein Drittland, mit dem entsprechende Verträge geschlossen sind - wird die Zahl der Geflüchteten, die sich mit Ziel Europa auf den Weg machen, nicht reduzieren. Denn: An die Stelle von vermeintlich relevanten Pull-Faktoren tritt im Ruanda-Modell ein manifester Push-Faktor, der die Zahl der Flüchtenden in die Höhe treiben wird: Der Deal mit Ländern des globalen Südens, der sie zu Aufnahmeländern von Geflüchteten macht, die eigentlich nach Europa wollen, macht Flucht zu einem Geschäftsmodell. Jeder Geflüchtete, der aus den Elends-Camps im Ostkongo animiert wird, sich nach Norden auf den Weg zu machen, wird für Ruanda zu einer Geldeinnahmequelle. Es ist absehbar, dass steigende Summen nötig sein werden, um den Kreislauf von Flucht und Rückführung zu bedienen. Diese Summen sind besser investiert, wenn wir Ursachen der Flucht durch Armutsbekämpfung reduzieren und Integration von Geflüchteten in unseren Ländern fördern.
Wir warnen mit Nachdruck: Ein System nach dem Ruanda-Modell kann in der Praxis nicht funktionieren, es führt zu menschlichem Leid und am Ende profitiert nur eine Gruppe: Schmuggler und skrupellose Mittelsmänner. Wir erleben jetzt schon, wie die Not und die Verzweiflung ausgenutzt werden. Die Verlagerung der Migrationsfrage in vermeintlich sichere Drittstaaten ist nicht die Antwort - weder im Vereinigten Königreich, noch in Deutschland."
Oliver Müller, Leiter von Caritas international, dem Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes: "Die Aufgabe von humanitären Hilfsorganisationen wie Caritas international ist es, Menschen auf der Flucht Schutz zu bieten und die aufnehmenden Gemeinden zu unterstützen, damit der soziale Frieden gewahrt bleibt. Denn: Der Großteil der Flüchtenden weltweit sind im eigenen Land vertrieben, Menschen, die sich auf den Weg nach Europa machen, stellen eine kleine Minderheit dar. Wichtig in diesem Zusammenhang sind die psychosozialen Angebote der lokalen Caritas-Partner, weil Flucht, die fast immer von Gewalterfahrungen geprägt ist, bei vielen Menschen traumatische Spuren hinterlässt. Wollen wir dazu beitragen, dass Menschen ihre Heimat nicht verlassen, müssen die Bedingungen, die zur Flucht führen, strukturell und nachhaltig verbessert werden. Oberste Priorität hat im Rahmen der humanitären Hilfe immer der Schutz der notleidenden Menschen. Der Schutz des menschlichen Lebens muss immer wichtiger sein als der Grenzschutz oder gar eine Abschottung Europas".