Nur zwei Stunden nach dem Friedensgruß von Hans Dieter Hüsch, mit dem Dompropst Tobias Schäfer die Gäste verabschiedet, beginnt der IS im nahen Paris gnadenlos Menschen zu töten. Dieselbe Gewalt zwingt auch Millionen von Menschen von weit her zur Flucht, weil sie ihr täglich ausgeliefert sind. Vor allem um sie ging es beim Fest der Begegnung und des Teilens, zu dem der Caritasverband Worms mit dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und youngcaritas an diesem 13. November eingeladen hatte.
Die Firmgruppe aus Herrnsheim stellt mit 1.400 Kerzen ein T-Shirt dar, das von einem Schwert zerteilt wird.© Patricia Mangelsdorff
Nicht jeder erkennt gleich, was das Bild aus 1.400 Kerzen bedeutet, die die Firmgruppe aus Herrnsheim ab 17 Uhr auf dem Wormser Marktplatz anzündet: ein T-Shirt, das von einem Schwert zerteilt wird. Eigentlich war es ja ein warmer Mantel, den der heilige Martin mit einem Bettler teilte. Heute Abend aber werden T-Shirts geteilt. Bei der Aktion "Mein Shirt für Dich" kann jeder ein Kleidungsstück verschenken, mit dem er etwas Wichtiges verbindet, und damit anderen etwas wünschen.
"Die T-Shirts machen begreifbar, dass wir alle miteinander verbunden sind."
Wäscheleinen verbinden den Halbkreis der bunten Stände. An ihnen baumeln Shirts, die meisten mit einem Zettel mit ein paar persönlichen Worten. Sie erzählen davon, was die früheren Träger mit ihnen verbinden: Von der Liebe zu den Kindern, die in einer Schwangerschaftsbluse steckt, vom Stolz auf einen ehrenamtlichen Einsatz, den eines der Hemden miterlebt hat, vom Glück des Heiratsantrags. Ein Fußballtrikot in Kindergröße mit der Aufschrift 'Schweinsteiger' braucht keine weitere Erklärung - klar, dass Begeisterung darin steckt. Martha Jeschonnek von young caritas bringt es auf den Punkt: "Die T-Shirts machen begreifbar, dass wir alle miteinander verbunden sind." Denn die Gefühle und Erlebnisse, die sie in sich tragen, sind universell. Deshalb sind die Kleidungsstücke auch Geschenke - für jeden, der sie möchte.
Ums miteinander Teilen geht es an diesem Abend. Und wie St. Martin, der vom Pferd zum Bettler herab stieg, will man auch hier einander auf Augenhöhe begegnen. Im Zentrum stehen dabei die vielen Menschen, die bei uns Schutz suchen - aber auch alle anderen, die Hilfe brauchen oder von Teilhabe ausgeschlossen sind.
So erinnert Caritasdirektor Georg Diederich in seiner Begrüßung daran, dass nicht nur die Flüchtenden dringend unsere Hilfe und Unterstützung brauchen, sondern auch viele arme Familien mit Kindern, die schon lange hier leben. 2014 waren 16,5 Mio. Menschen arm oder von sozialer Ausgrenzung bedroht, zitiert er die Wormser Zeitung. Auch in einer von Dr. Uwe Beck moderierten Talkrunde betonen Weihbischof Dr. Udo Markus Bentz, Jens Guth (MdL) und Diözesancaritasdirektor Thomas Domnick, man dürfe auch die schon lange bestehenden sozialen Herausforderungen nicht aus dem Blick verlieren.
Ermutigende Beispiele
Im Zentrum des Festes stehen gute Beispiele fürs miteinander Teilen. Das Café International in Worms etwa, das für viele Flüchtlinge ein so wichtiger Anlaufpunkt geworden ist, wie Angelika Wahl vom Helfer- und Unterstützerkreis Asyl und Abdurahman Mohammed aus Eritrea berichten. Oder die Nachbarn einer Einrichtung für unbegleitete Flüchtlingskinder, die allen Fußballschuhe spendierten. Die Sportvereine in Niederolm, die für Flüchtlinge ohne Arbeit beitragsfrei sind, oder die langzeitarbeitslosen Jugendlichen, die an Holzhäusern für Flüchtlinge mitbauen. Insgesamt, so Weihbischof Bentz, seien im Bistum Mainz ca. 2.000 Ehrenamtliche in diesem Bereich engagiert. Zahlreiche Wormser Gruppen zeigen an diesem Abend, was gemeinsam möglich ist: Die Percussionband Kamohelo - übersetzt: Willkommen - begleitet das Fest musikalisch mit den Teilnehmern des Workshops "Integration durch Musik", der am Wochenende zuvor Flüchtlinge und Bewohner des Nordends zusammengebracht hatte. Mit Ständen dabei sind u.a. Turkuaz Frauenbildungs- und Kulturinitiative, Einrichtungen des Caritasverbandes, der Helfer- und Unterstützerkreis Asyl, der Wormser Kindertisch, der Weltladen Worms, der Rotary Club Worms sowie natürlich BDKJ und youngcaritas.
Mut machen soll dieses Fest. "Wir schaffen das - auch in Worms," zitiert ein Plakat des Helfer- und Unterstützerkreises Asyl die Kanzlerin.© Patricia Mangelsdorff
Mut machen soll dieses Fest. "Wir schaffen das - auch in Worms," zitiert ein Plakat des Helfer- und Unterstützerkreises Asyl die Kanzlerin. Dass es bei uns auch bedrohliche Entwicklungen wie Ängste, Ressentiments, menschenverachtendes Denken und Handeln gibt, wird nicht verschwiegen. Auch nicht, dass wir sehr weit entfernt von einem wirklichen Miteinander sind. "Diese Menschen leben mitten unter uns," sagt Weihbischof Benz, "...wollen aber mit uns leben."
Als der Abend sich dem Ende zuneigt, ruht sich eine Familie aus Afghanistan auf den Stühlen aus, die vom Podium herunter getragen wurden. Seit drei Monaten sind sie in Deutschland. Der kleine Sohn ist sechs Monate alt. Kaum war er geboren, hat sich die junge Familie mit ihm und der zweijährigen Tochter auf den mühsamen Weg gemacht. Der Kleine schaut neugierig in die Welt. Jetzt ist er in Sicherheit. Jetzt. Aber wie lange noch?
Patricia Mangelsdorff
Freie Mitarbeiterin des Caritasverbandes Worms e.V.
Öffentlichkeitsarbeit