Worms, 21.05.2021.
Menschen ohne Krankenversicherungsschutz - hier bei uns in Deutschland? Hat nicht gerade die Corona-Krise gezeigt, dass unser Gesundheitssystem im internationalen Vergleich zu einem der besten zählt? Ja, hat sie - und dennoch gibt es bei uns sehr viele Menschen, die im Krankheitsfall nicht versichert sind.
Im Wormser Gesundheitsladen finden Menschen medizinische Hilfe, die sonst keinen Zugang zum Gesundheitssystem hätten. Hier ist das Problem an der Tagesordnung. Projektleiterin Angelika Ernst-Auer: "Von denen, die zu uns kommen, haben ca. die Hälfte keinen Versicherungsschutz. Neben der medizinischen Hilfe bemühen wir uns dann um eine Rückkehr - oder erstmalige Aufnahme - in den Krankenversicherungsschutz. Beides muss miteinander verzahnt werden."
Die Gründe dafür, ohne Krankenversicherung zu sein, sind sehr komplex und unterschiedlich. Treffen kann es Menschen aller gesellschaftlichen Schichten: Wohnungslose, Menschen aus anderen EU-Staaten, die hier keine Arbeit haben, Student*innen aus dem Ausland, Selbständige oder Rentner*innen, die aus finanziellen Gründen ihre Versicherung nicht mehr zahlen konnten oder auch Erntehelfer*innen, die - ganz legal - für vier Monate hier ohne Krankenversicherung beschäftigt sein dürfen. Auch die Corona-Pandemie hat das Problem verschärft, denn viele Selbständige können aufgrund ihrer Verdiensteinbußen ihre Beiträge nicht mehr bezahlen.
Wie viele Menschen in Deutschland betroffen sind, dafür gehen die Schätzungen auseinander. Während das Statistische Bundesamt von ca. 70.000 Menschen spricht, gehen Beratungsstellen von bis zu einer halben Million oder sogar mehr aus. Das rheinland-pfälzische Sozialministerium sprach 2019 von ca. 20.000 Betroffenen. Fest steht: All diese Menschen tragen ein hohes Risiko im Falle einer Erkrankung. Und: Die (Wieder)herstellung des Krankenversicherungsschutzes ist in jedem einzelnen Fall komplex und zeitaufwendig.
Angelika Ernst-Auer: "Oft halfen uns Anrufe bei den Kolleg*innen der Clearingstelle Krankenversicherung in Mainz weiter; aber im Lauf der Jahre wurde immer deutlicher, dass wir auch hier eine eigene Beratung zu dem Thema brauchen, zumal Betroffene oft nicht genug Geld für Bahntickets haben, von digitalen Angeboten überfordert sind und die Nähe zu den Ämtern vor Ort extrem wichtig ist. Deshalb sind wir froh, dafür jetzt mit Nina Christahl fachliche Unterstützung zu haben."
Die Betroffenen selbst sind oft sehr verunsichert und unzureichend informiert. Nina Christahl: "Besonders das Thema Beitragsschulden macht vielen sehr zu schaffen und lässt sie davor zurückschrecken, das Thema klärend anzugehen."
Mit Beitragsschulden hat man nur Recht auf minimale medizinische Notfallversorgung, alle Regelleistungen ruhen. "Mangelnde Mitwirkung" kann zum Beispiel ein Grund sein, der Krankenkassen dazu veranlasst den Patienten zum höchsten Beitragssatz einzustufen. Sehr schnell ist man dann bei einer großen Summe. Bislang ist es schon mehrfach gelungen die hohe Schuldensumme um zwei Drittel zu reduzieren durch eine nachträgliche Berechnung mit dem Mindestsatz, aber dennoch müssen Ratenzahlungen vereinbart werden, sobald diese eingehen, dürfen die betroffenen Menschen wieder die gängigen Krankenkassenleistungen in Anspruch nehmen.
Nina Christahl und ihre Kolleg*innen an den anderen Standorten der Clearingstellen wollen Menschen ermutigen, den Weg in den Krankenversicherungsschutz zu gehen - auch dann, wenn er oft mühselig ist und Geduld erfordert. Für diejenigen, bei denen eine Aufnahme in die Krankenversicherung nicht möglich ist, fordern sie einen Behandlungsfonds, der Krankenhaus- und Behandlungskosten übernimmt.
Weitere Informationen
Seit September 2019 gibt es in Mainz die für ganz Rheinland-Pfalz zuständige Clearingstelle Krankenversicherung. Initiiert wurde sie vom Verein Armut und Gesundheit in Deutschland e.V., gefördert wird sie von der Landesregierung. Mit Beratungsstellen in Koblenz und Ludwigshafen/Worms wurde diese Arbeit nun erweitert.
Nina Christahl berät seit Beginn dieses Jahres Menschen in Ludwigshafen und Worms. An jedem ersten, dritten und fünften Mittwoch des Monats kommt sie von 15 bis 18 Uhr in den Gesundheitsladen des Caritasverbandes Worms e.V. Über diese Sprechstunde hinaus steht Frau Christahl telefonisch zur Verfügung, bei Bedarf können Einzeltermine vereinbart werden.
Clearingstelle Krankenversicherung RLP
c/o Ökumenische Fördergemeinschaft Ludwigshafen GmbH
Nina Christahl
Zedernstr. 2
67065 Ludwigshafen
Tel.: +49 (621) 65050354
Fax: +49 (621) 65051685
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Email: christahl@foerdergemeinschaft.de
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