© Patricia Mangelsdorff
Sucht und Selbstfürsorge – was hat das miteinander zu tun? Jede Menge, weiß die Psychologin Kirsten Delfs. Seit 15 Jahren arbeitet sie als Psychotherapeutin an der Salusklinik in Friedrichsdorf, seit sechs Jahren vor allem mit älteren Menschen.
Der Griff zum Glas in den Krisen der Lebensmitte
Sie sind anfällig für den Missbrauch von Alkohol, Medikamenten und anderen Suchtmitteln, denn die Umbrüche mit Mitte 50 oder spätestens ab dem Rentenalter sind immens: Abschied vom Arbeitsleben, körperliche Einschränkungen, schwindende soziale Kontakte, Pflege der eigenen Eltern, Verlust des Partners durch Trennung oder Tod... Fühlt man sich diesen Veränderungen nicht gewachsen, schleicht sich womöglich der regelmäßige Griff zum Glas ein. Vielleicht gewöhnt man sich auch an das Beruhigungs-, Schlaf- oder Schmerzmittel, das der Hausarzt einem bereitwillig immer wieder verschreibt. Oder man fragt sich: Wozu jetzt noch das Rauchen aufgeben?
Es gibt viele kreative Lösungen!
Frau Delfs Kernbotschaften lauten: Es gibt viele kreative und gesunde Antworten auf die Krisen der Lebensmitte. Jede und jeder kann eine Menge selber tun. Und: Es ist nie zu spät! „Mein ältester Patient war 82,“ erzählt sie im Gespräch, „seine Familie wollte wegen des Alkohols keinen Kontakt mehr zu ihm. Er sagte zu mir: 'Ich will meine Kinder und Enkel wieder sehen. Deshalb muss Schluss mit dem Trinken sein.' Und er hat es geschafft.“ Frau Delfs kennt viele Beispiele von Frauen und Männern über 60, die sich von Alkohol oder der im Alter viel häufigeren „stillen Sucht“ nach Medikamenten erfolgreich verabschiedet haben. Voraussetzung für das Loskommen von einer Sucht wie auch davor, gar nicht erst hinein zu geraten: Ich muss gut für mich sorgen. Dazu muss ich immer wieder herausfinden, was ich brauche. Deshalb, so die Psychologin, kommen Selbstfürsorge und Achtsamkeit eine so wichtige Bedeutung in der Prävention und Behandlung von Suchterkrankungen zu. Aber was heißt das praktisch?
Innehalten und kleine Schritte wagen
„Immer wieder nach innen schauen und fragen: Übergehe ich da gerade etwas, was mir wichtig ist? Nehme ich mich ernst? Habe ich eigene Ziele begraben?“ Dabei, so Delfs, gehe es oft nicht unbedingt um große Veränderungen. „Schon kleine Schritte können viel bewirken: Sich im Alltag etwas Gutes tun, Freundschaften pflegen, sich gut ernähren. Ich muss auch nicht gleich ein großes Programm im Fitnessstudio starten. Der Anspruch ist oft viel zu hoch. Spazierengehen und Treppensteigen bringt auch schon viel. Oder man gönnt sich einfach mal eine Blume oder einen schönen Duft. Wichtig ist, sich selber zu spüren und mit allen Sinnen wahrzunehmen, was um uns ist.“
Mit allen Sinnen wahrnehmen
Das konnten die Gäste auch gleich ausprobieren. Jutta Allgeier, Initiatorin des Abends und Mitarbeiterin der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle für Suchtkranke und Angehörige des Caritasverbandes, lud im Anschluss an den Vortrag dazu ein, an Vanille, Salbei oder anderen Kräutern zu schnuppern und Schokolade in Kombination mit Früchten oder Chili zu schmecken. Frau Allgeier: „Wenn wir unsere Sinneswahrnehmung üben, hilft uns das, den Zugang zu uns selber zu finden. Und das ist ein wichtiger Schutz vor Sucht und Abhängigkeit.“
Die eigene Sehnsucht ernst nehmen
Um die stärkenden Kräfte in uns selber ging es auch in dem von einer Klientin der Beratungsstelle geschriebenen Märchen „...von der traurigen Frau und der Sehnsucht nach einem erfüllten Leben.“ Eingerahmt von klassischem Geigenspiel von Nora Ulreich Berthold und mit pantomimischer Begleitung erzählt es humorvoll, wie es einer alten Frau nach langen Kämpfen gelingt, sich aus Sucht und Abhängigkeit zu befreien. Mit Hilfe der ihr innewohnenden Kräfte der Weisheit, Weitsicht, Erinnerung und Achtsamkeit findet sie wieder zurück zu ihrer ureigenen Lebensfreude. Auch ein schöner Prinz dient sich ihr als einfaches Mittel zu Glück und Zufriedenheit an. Aber sein Versprechen, so muss sie erkennen, ist genau so trügerisch, wie das von Alkohol, Medikamenten und Drogen. Denn nicht nur sie, sondern auch Beziehungen, Arbeit, Essen, Glücksspiel oder Einkaufen können uns süchtig machen. Wenn wir nicht auf uns selber achten. Um die Achtsamkeit für sich selber zu üben, können Interessierte sich für zwei Folgeveranstaltungen anmelden: Vier Zumba-Termine in Kooperation mit der Tanzschule im Park und einen Malkurs mit der Wormser Künstlerin Bettina Dengl, in dem es um die Suche nach den eigenen Farben und dem eigenen Motiv geht.
Anmeldung: Jutta Allgeier
Psychosoziales Zentrum
Caritasverband Worms e.V.
Fachstelle frauenspezifische Suchtarbeit
Tel. 06241 20617 31
E-Mail: allgeier@caritas-worms.de
Patricia Mangelsdorff
Freie Mitarbeiterin des Caritasverbandes Worms e.V.
Öffentlichkeitsarbeit