Hamm, 10. September 2020. Suchtberatungsstellen beraten, behandeln und begleiten, unterstützen und stabilisieren Abhängigkeitskranke und ihre Angehörigen in Krisen sowie in dauerhaft herausfordernden Lebenssituationen. 1.300 Suchtberatungsstellen erreichen bundesweit mehr als eine halbe Million Abhängigkeitserkrankte und ihre Angehörigen: Der Großteil der Beratungsprozesse wird mit einer positiven Prognose beendet.(1) Die Suchtberatungsstellen leisten in einer gut ausgebauten kommunalen Suchthilfe eine unverzichtbare Hilfe: Sie retten Leben und helfen Gewaltspiralen in Familien und im öffentlichen Raum zu durchbrechen. Zudem werden durch die Suchtberatung direkt überaus hohe volkswirtschaftliche Kosten eingespart.(2)
Laut einer aktuellen Studie zum Konsumverhalten(3) wurden während der Corona-Pandemie bzw. des Lockdowns größere Mengen und auch früher am Tag Alkohol getrunken. Bei den illegalen Drogen verändern sich riskante Konsummuster. Alkohol- und Drogenkonsum ist auch ein Seismograph für die Bewältigung persönlicher Krisen: Hier braucht es die Suchtberatung als Institution für zwischenmenschliche Rettungsschirme(4).
Suchtberatung steht finanziell mit dem Rücken an der Wand
Die Suchtberatungsstellen vor Ort sind in der Regel finanziell und folglich personell sowie technisch schlecht ausgestattet. Die ohnehin prekäre Finanzierung ist pandemiebedingt zusätzlich verschärft.
Viele Suchtberatungsstellen stehen mit dem Rücken an der Wand, denn es muss immer mehr Arbeit für immer weniger Geld geleistet werden: Personalkosten steigen, die Anforderungen an Qualität nehmen zu und die Hilfeangebote müssen flexibler und individueller gestaltet werden. Auch die erforderliche Digitalisierung benötigt Ressourcen. Sie kann die Beratung ergänzen, den persönlichen Kontakt aber nicht ersetzen.
Dabei ist nicht zu vergessen, dass Qualität und Quantität "sozialer Dienste" im Kontext von Fürsorge auch durch das zur Verfügung gestellte Finanzvolumen der Steuermittel bestimmt wird.(5)
Betroffene Menschen brauchen Unterstützung. Suchtberatung JETZT stabil finanzieren!
Die Systemrelevanz der Suchthilfe und der Sucht-Selbsthilfe wurde in der Krise bestätigt. Nun muss sichergestellt werden, dass auch in der Zeit nach Corona ein institutionelles Unterstützungsangebot verlässlich zur Verfügung steht. Um das Potential der Suchtberatung(6) für suchtgefährdete und abhängigkeitskranke Menschen sowie deren Angehörige zu nutzen und so auch die Brücke in weiterführende Hilfen zu erhalten, muss die Finanzierung stabil,
kostendeckend und verlässlich erfolgen.
Die DHS fordert deshalb:
© DHS - Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V.
- Die finanzielle Entlastung der Kommunen durch das Konjunkturpaket soll zur Stärkung der sozialen Daseinsvorsorge genutzt und die Suchtberatung zur kommunalen Pflichtleistung werden.(7)
- Für den Bereich der Grundversorgung in den Suchtberatungsstellen braucht es eine angemessene Relation zwischen Fachkräften und Nutzer/-innen: Mindestens eine Fachkraft für 10.000 Einwohner/-innen, zzgl. 0,2 Verwaltungsstellen.(8)
- Die Finanzierung der Suchtberatung soll überwiegend pauschal erfolgen und muss jährlich dynamisiert werden, damit Tarifbindungen, Lohnsteigerungen und Inflationsraten berücksichtigt werden können.
- Erwirtschaftete Eigenmittel und Spenden abseits der ambulanten suchtspezifischen Grundversorgung dürfen nicht mit deren Finanzierung verrechnet werden.
- Weiterhin gilt unter Corona-Bedingungen: Menschen mit Suchtproblemen müssen auch unter Infektionsschutzbedingungen bedarfsgerecht beraten und begleitet werden.(9) Dazu gehört eine Suchtberatung, die in Blended Counseling Formaten nach fachlichen Maßstäben gestaltet werden kann. Dazu müssen auch die Einrichtungen angemessen ausgestattet sein.(10)
Damit die Suchtberatungsstellen für suchtgefährdete und/oder abhängigkeitskranke Menschen sowie deren Angehörige weiterhin die zentrale und hilfreiche Anlaufstelle in den Kommunen und Bundesländern bleiben und helfen kann, Verelendungen und Gewaltspiralen in Familien zu verhindern, sowie einen Beitrag zur öffentlichen Sicherheit zu leisten, ist es JETZT erforderlich, eine verlässliche Finanzierung zu garantieren!
Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS)
(1) Braun, B. et al (2017): Deutsche Suchthilfestatistik 2016. Tabellenband für ambulante Sucht-und/oder Beratungsstellen und Institutsambulanzen. Tab. 7.10. (https://suchthilfestatistik-datendownload.de/Daten/download-kds-2.html)
(2) Packmohr, K.; Weiß, P. (2020): Suchtberatung wirkt. SROI-Studie zu den volkswirtschaftlichen Einsparpotenzialen durch die Suchtberatung. Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, 100(2020), H. 2, 74-79.
(3) Deutsches Ärzteblatt, 117(25) vom 19. Juni 2020. Alkohol und Rauchen. (https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=214451)
(4) SAGE (2020): Stellungnahme zur Corona-Pandemie und ihren Folgen. (https://ashberlin.eu/fileadmin/Daten/News/2020/SAGE_Stellungnahme_Corona/SAGE-Stellungnahme_Corona.pdf)
(5) Hansjürgens, R. (2018): Tätigkeiten und Potentiale der Funktion "Suchtberatung". Berlin. (http://www.sucht.org/fileadmin/user_upload/Mediendownloads/Expertise_und_Exzerpt.pdf)
(6) Vgl. ebd.
(7) Caritas Deutschland (2020): Caritasverband fordert: Finanzielle Entlastung der Kommunen zur Stärkung der sozialen Daseinsvorsorge nutzen. Pressemitteilung. (https://www.caritas.de/presse)
(8) Fachverband Drogen- und Suchthilfe (2017): Forderungen für eine wirksame ambulante Suchthilfe. Berlin. (https://www.fdronline.info) wie auch: DHS (1992): Rahmenplan für Beratungs-und Behandlungsstellen für Suchtkranke und deren Angehörige. Hamm, 14.05.1992 (www.dhs.de.)
(9) SAGE (2020)
(10) DHS (2020): Suchthilfe während und nach der Corona-Krise absichern! (www.dhs.de)